Hitzegeschwängerte Düsternis

DAS PERFEKTE VERBRECHEN
Was man hier zu sehen bekommt, ist intelligente und perfekt inszenierte Unterhaltungsware! Hollywood produziert derzeit wenig davon, leider. Umso mehr muss man Gelegenheiten wie diese nutzen. Ein junger, ehrgeiziger Staatsanwalt und ein gewiefter Ingenieur liefern sich ein Duell um den perfekten Mordfall: Man stelle sich vor, es passiert ein Mord, und der Täter wird vom Gericht für seine Tat freigesprochen. Obwohl der Täter seine Tat sogar zugegeben hat. Es entspinnt sich ein Thriller, irgendwo zwischen Film Noir und Gerichtsfilm. Von beidem hat er etwas, aber das Setting passt nicht recht in einen Film Noir, und den Gerichtsaal sieht man selten von innen. Schnell verfängt sich der Streifen im Kopf des Zuschauers: Eigentlich weiß man von vornherein, wie konstruiert das alles ist. Die Karten sind auf dem Tisch, es riecht förmlich nach gewohnten, genreüblichen Erzählmustern. Aber trotzdem ist es faszinierend mit anzusehen, wie Anthony Hopkins als Mörder Ted Crawford erstmal die Anklage und damit den Staatsanwalt Willy Beachum demontiert. Ryan Gosling spielt diesen Willy Beachum. Ein überheblicher Schnösel, der den großen Karrieresprung so gut wie geschafft hat. Statt miefiger Staatsanwaltsbüros, gibt es bald lichtdurchflutete und durchgestylte Kanzleiräume oder vielmehr Kathedralen der Rechtsverdrehung. 

Architektur ist ein sehr dominanter Part in diesem Film. Und es entspricht nur allzu sehr der amerikanischen bzw. der Hollywood-Tradition, dass die Gerechtigkeit erst einmal "im Dreck haust". Der Tatort ist hingegen ein nobler, gläserner Palast in den feineren Gegenden von L. A. Sichtachsen im Haus, transparente, hohe Räume, wohldurchdacht eingerichtet. Umsäumt von einem prachtvollen, allerdings auch blickdichtem Garten. Obwohl die Fassade des Hauses fast vollständig aus Glas besteht, wirkt alles seltsam düster und schattig. Selten sieht man das Haus im Sonnenlicht, die Totalen sind sogar ausschließlich im Dunkeln gefilmt. 
Das gilt allerdings auch für alle anderen Locations. Das Bild, welches Regisseur Gregory Hoblit und sein junger Kameramann Kramer Morgenthau von Los Angeles zeigen, ist ein düsteres. Selbst das Tageslicht strahlt eine schmutzige, hitzegeschwängerte Düsternis aus. Beachums Wohnung ist eine Garage mit schmalen Fenstern, sein Büro sieht ähnlich aus, der Knast in dem Crawford sitzt, das Büro des Generalstaatsanwalts. Dies ist ein anderes Los Angeles, heruntergekommen, verlebt. Eine Atmosphäre, wie man sie nur selten von einem Film aus eben dieser Stadt auf die Leinwand geliefert bekommt! Grandios! 

Ähnlich dunkel ergeht es den Figuren: Crawford, ein intelligenter Mann mit Ausstrahlung und einem für seine Zunft so untypischen Charisma. Aber auch eine tragische Figur, die ob der Affäre seiner Frau verletzt und einsam zum kaltblütigen Mörder mutiert. Beachum, der junge Staatsanwalt. Nicht minder intelligent, von ebenso charismatischer Persönlichkeit. Sie sind sich beide nicht unähnlich. Auch nicht in ihrer Tragik: Er beginnt eine Affäre mit seiner zukünftigen Vorgesetzten, wird sogar von ihr vor der sofortigen Kündigung durch seinen neuen Arbeitgeber bewahrt. Aber schlussendlich muß und will er sie doch links liegen lassen, um diesen Kerl hinter Gitter zu bringen. Seine neue Karriere ist am Ende, und auch seine alte liegt in Scherben. Zersprungen genau an den Schwachstellen, die ihm Crawford prophezeite. Gosling und Hopkins geben Paradedarbietungen ihres Könnens. Unbenannt kann man die Nebendarsteller aber ebensowenig lassen: Rosamund Pike als Beachums neuer Boss Nikki Gardner. David Strathairn als Beachums alter Boss Joe Lobruto. Embeth Davidtz als Crawfords Ehefrau und Billy Burke als ihr Geliebter Rob Nunally. Der auch noch als leitender Beamter zum Mordfall seiner Geliebten gerufen wird. Selbstverständlich wohl kalkuliert durch Ted Crawford.  

Warum die Traumfabrik ihr Image mit zähen, wiederkäuenden Blockbusterstreifen ruiniert, anstatt mehr dieser kleinen, perfekten und düsteren Streifen in die Kinos zu schicken, bleibt unverständlich. FRACTURE, wie dieser Film im Original heißt, ist ein kleiner Leuchtturm der besseren Kinounterhaltung.