Inne halten

SAINT JACQUES -
PILGERN AUF FRANZÖSISCH

Wandern gilt als eine der Königsdisziplinen unter den Leibesübungen. Zudem ist sie Jahrtausende alt. Was unsere Vorfahren noch gezwungenermaßen oder als Prüfung auf dem Weg zu Gott über sich brachten, ist heute Trendsport. Manchmal aber auch nicht: Clara, Claude und Pierre beschreiten einen der bedeutendsten Wander- bzw. Pilgerstrecken Europas nur äußerst widerwillig. Gemeinsam den Jacobsweg zum Grab des Apostel Jakobus wandern, das ist die Auflage, die die verstorbene Mutter ihren drei Kindern hinterlässt, bevor sie sich das Erbe teilen können. Problem an der Sache: Die drei Geschwister können sich auf den Tod nicht ausstehen und das Wandern erst recht nicht, doch ohne Pilgern kein Geld.
Clara ist eine gestresste Lehrerin, Claude ein Alkoholiker und Pierre umtriebiger Geschäftsmann. So unterschiedlich sie sind, so sehr sie sich hassen, so schlimm ist der Gedanke an gemeinsame Wochen in der menschenleeren Pampa zwischen Frankreich und Spanien.

Doch in ihrer Pilgergruppe angekommen, merken sie schnell, dass sie nicht die einzigen mit Problemen sind. Aber bis sich diese Erkenntnis durchsetzt, werden die drei erstmal zum Problem für die anderen.
Coline Serreaus kleine Tragikomödie SAINT JACQUES - PILGERN AUF FRANZÖSISCH gehört zu den kleinen Schätzen im Kinosommer 2007. Ihr Film erzählt über die Folgen von persönlicher Entfremdung, über den Wert von Gemeinsamkeit und die Kraft, die in Familien steckt. Dabei beweist Serreau einen genauen Blick für Typen und Charaktere und vor allem für das Menschliche an sich. Anders als der Titel vermuten lässt, ist SAINT JACQUES kein religiöser Film. Im Gegenteil, Glaube im religiösen Sinne spielt hier nur in Form der Kulisse des Pilgerwegs eine Rolle. Serreau sind die Menschen viel wichtiger: Die Art wie sie miteinander umgehen, voneinander profitieren oder durch den anderen leiden. Wie der Einzelne durch die Gruppe beeinflusst und verändert wird - in diesem Fall zum Besseren. Einer kleinen Versuchsanordnung gleich, prallen ihre Figuren aufeinander und interagieren fleißig; anfänglich terrorisieren sie sich selbst und ihre Mitwanderer jedoch. Parabeln auf unser Weltgeschehen gibt es in diesem Streifen zu Hauf.

Metaphern unterdessen visualisiert Serreau bereits im Film: Fortwährend bricht sie die Handlung auf und fügt kleine, artifizielle Traumsequenzen ein: Den Figuren in den Kopf geschaut. In diesen wunderschönen, kleinen Kinomomenten zeigt sich die Verbundenheit Serreaus mit dem Theater, die eingehüllt wird von großen, nicht minder schönen Kinomomenten, in denen die Kamera aus der Gruppe ausbricht und sich Zeit für die fantastische Landschaft entlang des Pilgerpfads nimmt. Bilder, die so nur der Kinofilm zustande bringt und die Zuschauer wie Figuren für einen kurzen Moment innehalten lassen. SAINT JACQUES - PILGERN AUF FRANZÖSISCH ist ein kleines, wundervolles, zutiefst menschliches Feel-Good-Movie, das seine Zuschauer auf eine Pilgerreise zu sich selbst schickt.