Kino makaber

SHOOTING DOGS

Seit einiger Zeit schon ist der afrikanische Kontinent eine gefragte Region für die europäische und amerikanische Filmwirtschaft. Nicht nur als Kulissenbringer, sondern auch und vor allem wegen seiner Geschichte. Nelson Mandela und das Apartheid-Regime wurden zuletzt eher schlecht als recht in den Streifen „Good Bye Bafana“ und „Catch A Fire“ abgehandelt. Die Ausbeutung der Bodenschätze, namentlich der Diamantenvorkommen, hat Hollywood in dem brachialen Film „Blood Diamand“ abgehandelt.
Ruanda und der Genozid des Jahres 1994 war Thema in dem herausragenden Streifen „Hotel Ruanda“ mit Don Cheadle. Michael Caton-Jones greift den Völkermord für seinen Film SHOOTING DOGS nun ebenso auf.

Kigali, die technische Berufsschule ETO, der junge britische Lehrer Joe (Hugh Dancy) lehrt an dieser Schule, zusammen mit dem Missionspriester Christopher (John Hurt). Die Schule dient auch einer kleinen Gruppe von belgischen UNAMIR-Soldaten, unter dem Kommando von Captaine Charles Delon (Dominique Horwitz) als Stützpunkt. Ihr Mandat soll den Waffenstillstand zwischen den verfeindeten Volksgruppen der Hutu und der Tutsi überwachen. Doch als der Präsident der Übergangsregierung einem Anschlag zum Opfer fällt, kippt der brüchige Frieden, und Hutu-Extremisten sehen ihre Zeit gekommen, mit den verhassten Tutsi abzurechnen.

Caton-Jones erzählt zu Beginn chronologisch, stellt seinen Cast und die Location vor. Mit dem Tod des Präsidenten kommt die Handlung wirklich ins Rollen. Nachts sind Schüsse zu hören, in der Ferne lodern Feuer, und kurze Zeit später stehen Hunderte von Menschen vor den Toren der Schule und suchen Schutz. Nur widerwillig lässt Captaine Delon die Menschen hinein, doch Pater Christopher lässt ihm beinahe keine andere Wahl. Die Situation der UN-Soldaten war in Ruanda äußerst prekär: Sah ihr Mandat zu Beginn der Mission noch eine Eingreifoption vor, die derlei Gräueltaten sofort unterbunden hätte. Wurde ihnen mit Ausbruch der Unruhen lediglich eine Selbstverteidigungsoption befohlen und direktes Eingreifen untersagt. In dieser Zwickmühle steckt Captaine Delon, dessen Großeltern zur Zeit der Besetzung Belgiens durch die NAZIS Juden ein Versteck boten. Die Soldaten dürfen eigentlich nichtmal die Hunde erschießen, die sich über die zahllosen Leichen in Kigalis Strassen hermachen: "Shooting Dogs", womit sich der Filmtitel erklärt.

Doch die Schule scheint vorerst eine kleine Arche zu sein, in einem stetig steigenden Meer von Blut. Schnell wird sie von den Interahamwe-Milizen belagert, die UN-Soldaten halten sie auf Abstand.
Schlussendlich befanden sich über 2000 Menschen in der Schule, als die UN-Soldaten abzogen. Denn genau das passierte im April 1994. Kaum jemand überlebte.
Caton-Jones stilisiert dies zum Höhepunkt seines Films. Am Ende übernimmt eine Kamerafahrt den wesentlichen Part der Erzählung: Ästhetisierung der Leichenberge könnte man dies nennen. Die Intention dahinter ist freilich klar - aufgerüttelt und erschüttert soll der Zuschauer den Kinosaal verlassen.

Aber angesichts der dünnen Grundgeschichte fällt dies schwer: Es kommt ein junger Mann voller guter Absichten nach Afrika. Und verlässt es wieder, seelisch und moralisch angeknackst. Gewalt und Unmenschlichkeit haben ihm die schiere Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben, sein eigenes Weltbild schwer beschädigt: Selbstreflexive Momente eines gutsituierten Mitteleuropäers angesichts von Mord und Totschlag. Diese Geschichten wurden schon zu oft erzählt, um sie noch im Kino ertragen zu können; insbesondere vor afrikanischer Kulisse. Makaber!