Mehr Arthouse - Weniger Multiplex



Harry Potter und der Orden des Phönix; Sehr Sehenswert mit 90%!


Die Sache mit den Potter-Filmen ist bei jedem Start ein neuer, kleiner Nervenkitzel: Wechselnde Regisseure, sehr unterschiedliche Buchvorlagen, andere Drehbuchautoren, andere Soundtrackkomponisten usw. Die Potterfilmreihe unterliegt einem stetigen Wandel, auch und vor allem beim Cast. Mit jedem Jahr werden die Jungstars reifer, entwickeln sich ihre Fähigkeiten. Aber mit jedem neuen Potter tauchen auch neue Figuren auf, die wiederum neue Darsteller benötigen. Neue Möglichkeiten vor allem für Alt-Stars sich in Szene zu setzen; es gibt wohl kaum eine Kinosaga, die derart prominent besetze Nebenrollen vorweisen kann.

Potter 5 bot der Britin Imelda Staunton die Gelegenheit sich als Alptraum in Altrosa zu präsentieren und die herrische, niederträchtige Dolores Jane Umbridge mit Leben zu füllen. Helena Bonham-Carter wiederum kostete - einmal mehr lustvoll - eine abgründige Figur aus: Bellatrix Lestrange, eine enge Gefolgsfrau des Hyper-Bösewichts Lord Voldemort.
Doch Potter 5 führt auch ein neues, junges Gesicht ein: Luna Lovegood. Evenna Lynch spielt ihr Filmdebüt mit dieser Figur. Wie bereits bei den anderen der Jungstars, setzte sich Lynch bei einem Groß-Casting durch und ließ 15.000 Konkurrentinnen hinter sich. Sieht man sie auf der Leinwand, versteht man warum: Luna Lovegood ist eine etwas sphärische Persönlichkeit. Sie trägt seltsames Zeug mit sich rum, ist ständig auf der Hut vor Unwesen und Gefahren, von denen die Magische Welt noch nie gehört hat und lebt auch sonst eher für sich und in ihrer eigenen Welt. Evenna Lynch verkörpert sie mit einer Liebe zur Spleenigkeit, die einen sprachlos macht. Dass ihr Spiel dabei minimalistisch bleibt, ohne große Gesten auskommt, ist das eigentlich Großartige daran. Gleichzeitig weiß sie hinter ihrer kindlich-unschuldigen Miene auch die große Tragik der Figur sichtbar zu machen: Luna Lovegoods Mutter starb bei einem Zauberunfall, und sie selbst ist durch ihre Andersartigkeit stets isoliert von ihren Mitschülern, die ihr mit Vorliebe alle möglichen Sachen wegnehmen und verstecken.

Harry Potter leidet in den Büchern ebenso unter Isolation wie Luna, oftmals sogar unter direkten Feindseligkeiten der anderen Hogwartsschüler: Regisseur David Yates und Drehbuchautor Michael Goldenberg haben diese Gemeinsamkeit gleich mehrfach ins Bild gesetzt. Was wiederum für die narrative Qualität dieses Films spricht. Wo Potter 4 sich in der Ausbeutung der Schauwerte erschöpfte, ändern Yates und Goldenberg die Tonlage: Der Streifen wirkt deutlich geerdet. Die Schwerpunkte liegen wieder auf den Wegmarken der Geschichte; Storytelling statt Special-FX. Wer in Potter ein großes Fantasy-Spektakel sucht, könnte enttäuscht werden. Mehr Arthouse und weniger Multiplex schien die Devise gewesen zu sein. Aber trotzdem ist dies vor allem eine Hollywood-Großproduktion, die natürlich massenkompatibel inszeniert wurde; inklusive Showdown. Hollywood bleibt schlussendlich Hollywood.

Der Umgang mit der Buchvorlage in Potter 5 lässt den aufmerksamen Potter-Leser immer wieder aufhorchen: Neben der überraschend ausführlichen Behandlung der Luna/Harry-Komponenten, sind es immer wieder kleine Details, die fast liebevoll kinematographisch umgesetzt werden. Wie auch gelegentlich elegante Schlenker überraschen, die einige Drehungen und Wendungen der Vorlage angenehm zusammenfassen oder umgehen - sehr zum Vorteil des Films. So ergibt sich ein ganz und gar homogener Streifen, der auch als Einzelwerk ohne Weiteres bestehen könnte, was ihm innerhalb der Reihe einen Sonderstatus zukommen lässt.
Unterm Strich darf dieses Werk von David Yates zu den gelungensten Verfilmungen der Harry Potter-Reihe gezählt werden, neben Alfonso Cuarons Interpretation des dritten Bandes; Harry Potter und der Gefangene von Askaban. Auf das große Finale, das mit Band 6&7 noch einige sehr tragische und mitunter sehr harte Wendungen bereithält, ist man mit diesem dunklen und aber nicht minder fantastischen Streifen bestens eingestellt.