Unerbittliche Stille

IM SCHATTEN

Berlin, im Heute. Ein Mann, Trojan sein Name, kommt aus dem Gefängnis frei. Er quartiert sich in ein Hotel an der Friedrichstr. ein - ohne dabei wirklich anzukommen. Er packt nichts aus seiner Tasche aus, zieht sich nicht um, er ist einfach nur da. Ein Hotelzimmer wie eine Wartehalle. Er trifft einen alten Komplizen, doch der, der ihm auch noch einen Anteil vom letzten Bruch schuldet, denkt nicht daran ihm das Geld wirklich zu bezahlen. Trojan weiß, was jetzt kommt, da sich sein Ex-Kompangon als falsch herausstellt. Schließlich ist er Profi. Und unter Dieben gibt es entweder Loyalität oder Konkurrenz. Konkurrenz ist in diesem Gewerbe gleichbedeutend mit Lebensgefahr. IM SCHATTEN, so der Titel dieses Films.

Misel Maticevic (Trojan) | (c) Bild: PERIPHER Filmverleih

Im Schatten steht hier zunächst und wortwörtlich auch Trojan, denn er scheint er nur Spielball anderer Akteure zu sein, hat Mühe die Hoheit über das Geschehen zurückzugewinnen. Schließlich gelingt es ihm doch, gewalttätig zwar, aber effektiv wird er wieder zum Player in eigener Sache. Über den Kontakt zu einer Rechtsanwältin deutet sich die Möglichkeit zu einem neuen Coup an, ein Geldtransporter.

Im Schatten ist ein Krimi, ein Kriminalkinofilm, mit einem TV-Krimi hat das hier überhaupt nichts zu tun - zum Glück. Wir begleiten einen Profi bei seiner Arbeit, kühl und präzise macht Trojan seine Schachzüge. Nie gibt es zu viele Namen, nie weiß jemand mehr als unbedingt nötig. Vorsicht ist alles, denn zu viele verfolgen eigene Interessen. Es gibt einen korrupten Polizisten, es gibt Konkurrenten, die auch vor Mord nicht zurückschrecken. Zu viele, zu intensive Kontakte könnten Trojan in Gefahr bringen und umgekehrt. Unmenschlich wirkt dieses Milieu: Die Fixierung auf die Beute, Geld als einziger Fixstern und Antrieb für die eigene Existenz. Bedrückend.

Misel Maticevic (Trojan) | (c) Bild: PERIPHER Filmverleih

Trojan, bei diesem Namen denkt man an das Trojanische Pferd, an jene List, mit der die Griechen Troja zu Fall brachten. Aber diese Interpretation wäre etwas zu prosaisch für diesen Film. Eher lässt sich die heutige Bedeutung des Trojanischen Pferdes anwenden, das kleine Programm, das sich unbemerkt in einen Computer einfrisst und dessen Daten ausspioniert.

Genauso lässt Regisseur Thomas Arslan seinen Trojan agieren, als unbemerkbaren Akteur, der kühl und berechnend sein Handwerk vollzieht und einen plötzlichen Angriff schon geahnt zu haben scheint, wenn die gegnerische Seite selber noch nicht mal daran gedacht hat. Korrupte Polizisten, unzuverlässige Komplizen, damit muss sich dieser Trojan rumschlagen. Aber wo in anderen Filmen der Wutausbruch kommt, wo der Akteur den Klotz an seinem Bein nur mit Mühe los wird, da schaltet Trojan das Problem einfach aus. Emotionslos, ungerührt. Ein Hindernis, das ihn nicht aufhält. Trojan ist eine Maschine. Doch trotzdem wird er im Lauf der Handlung für uns zum eigentlichen Helden, denn um ihn herum existiert nichts weiter als Habgier, Missgunst und Niedertracht. Wir registrieren das, doch wo man Emotionalisierung erwartet, gibt es bei IM SCHATTEN nur die Kühle der Berechnung. Berechnung, die ihre Abgründe da hat, wo die Gewalt zur Anwendung kommt und plötzlich und unvermittelt wortwörtlich zuschlägt.

Misel Maticevic (Trojan), Karoline Eichhorn (Dora Hillmann) | (c) Bild: PERIPHER Filmverleih

Thomas Arslans IM SCHATTEN ist ein fantastisches Genrewerk, von unerbittlicher Stille und aufreibender Spannung. Dagegen ist ein Tatort, selbst in seinen wenigen guten Momenten, eine entsetzliche Farce.


IM SCHATTEN
D 2010
86 Minuten
Regie, Buch: Thomas Arslan
Kamera: Reinhold Vorschneider
Schnitt: Bettina Blickwede
D: Misel Maticevic (Trojan), Karoline Eichhorn (Dora Hillmann), Uwe Bohm (René Meyer, Hanns Zischler (Der Planer)
Verleih: Peripher