Mindfuck


Heinz Emigholz - MISCELLANEA I-VII
DVD-Besprechung
MISCELLANEA VII - An Bord der USS Ticonderoga | (c) Bild: Filmgalerie 451 

„Es gibt ja Leute, die behaupten, die Geschichte des Kinos ist länger als die Geschichte der Menschen.“ – formuliert der Journalist Stefan Grisseman in einem Interview mit dem Filmemacher Heinz Emigholz. Dieses Interview hat mit der DVD „MISCELLANEA I-VII“ erst mal nichts zu tun. Aber das Interview findet sich auf der Homepage von Heinz Emigholz’ Produktionsfirma „PYM“. Emigholz produziert seine Filme stets selbst, die „PYM“ ist so über die Jahrzehnte (Emigholz’ Filmografie reicht bis ins Jahr 1972) zu einem Logo geworden für etwas, das im heutigen Kino einzigartig zu sein scheint: die Wahrnehmung von Orten, Räumen und Objekten, sowie ihrer Umgebung und ihrer Details als Kern filmischen Erzählens.

MISCELLANEA III | (c) Bild: Filmgalerie 451 
MISCELLANEA IV - Ein Museumsbau in Essen | (c) Bild: Filmgalerie 451 

Die Arbeitsweise von Emigholz lässt sich anhand der, auf der DVD versammelten sieben mittellangen Filme gut erkunden: Simpel formuliert stellt er seine Kamera vor ein Objekt oder in einen Raum und nimmt einfach auf; fotografisches Betrachten mithilfe des Bewegtbildes. Emigholz Blickwinkel wirkt dabei stets etwas entrückt und wortwörtlich schief. In seinen vielfältigen Architekturstudien, von denen sich auf dieser DVD unzählige finden, führt er so den Blick des Zuschauers auf Wesentliches, was mitunter einen immensen Sog erzeugt.

MISCELLANEA V - El Greco in Toledo | (c) Bild: Filmgalerie 451 

„MISCELLANEA I-VII“ ist eine 152-minütige Schule der optischen Wahrnehmung – im besten Sinne. Gleichzeitig wird auch eine Entwicklung im Schaffen von Emigholz erkennbar, handelt es sich bei dieser Sammlung doch auch um Material, das während der Dreharbeiten zu anderen Projekten entstand, wie das kleine Begleitheft informiert. Es finden sich in dieser Film-Sammlung allerdings auch Film-Text-Montagen deren intellektuelle Verkopftheit gleichermaßen abstößt und, in ihrer latent schwulen Grundierung, auch wieder fasziniert. Die unausgesprochene Faszination für das Männliche schreit einen in diesen sieben Filmen aus 24 Jahren förmlich an: „MISCELLANEA I-VII“ – Bewegtbild als schwuler Mindfuck.

MISCELLANEA I-VII
D 1986-2010
152 Minuten
Farbe & s/w | 16:9 & 4:3 | Dolby Digital 5.1 & 2.0
Regie: Heinz Emigholz
erschienen bei Filmgalerie 451

(Text zuerst veröffentlicht im SISSY-Magazin Nr. 10, herausgegeben bei Edition Salzgeber.)