"Film kann Gesellschaft gestalten." Ein Nachmittag mit Wieland Speck

filmhighlights Spezial

Mitte Juli traf ich, in Begleitung der Stummfilmexpertin und Performancekünstlerin Vaginal Davis, mit Wieland Speck zum Interview zusammen. Anlass war die Jubiläums-Programmreihe zum 60. Geburtstag des Regisseurs und Direktors der Berlinale-Sektion "Panorama" im Berliner Kino Arsenal.


Ein Gespräch über seine Anfänge als junger Schwuler aus der Provinz, das Besondere an Rosa von Praunheim, Filmdrehs in Ost-Berlin, einen Harfenspieler auf der Berliner Mauer, seinen Lehrer George Kuchar und das erste Treffen mit Manfred Salzgeber.

(Die Interviewsprachen sind Englisch & Deutsch.)



Einige Zitate aus dem Gespräch:

"Videos aufzunehmen und sie zu löschen war etwas vollkommen Neues. Und sie zu löschen hatte vielleicht auch etwas Arrogantes." - Wieland Speck über seine Anfänge als Videofilmer.

"Rosas unglaubliche Taktik: Er macht die Leute an. Er war jahrzehntelang der berühmteste Schwule des Landes." - über Rosa von Praunheim.

"Der interessantere Aspekt an Film ist, dass er Gesellschaft gestalten kann." - über die Kraft des Films an sich.

"Ich war als 17-jähriger Schwuler tuntig, war ne Fee, war bunt und mich haben die verhuschten Schwulen auf dem Land nicht interessiert." - über seine ersten Erfahrungen mit Schwulengruppen in der Provinz.

"Die Schwulen sind eine der größten Vertriebenengruppen überhaupt." - über den faktischen Zwang schwuler Männer zur Flucht in die Großstädte.

"Hollywood war damals nur eine andere große Filmstadt, neben Berlin & Babelsberg." - über die Filmlandschaft in den 1920ern.

"Die Stasi hat einen Vorgang über mich angelegt und ihn auf den poetischen Namen 'Der Harfenspieler' getauft." - über seine Stasi-Akte, die anlässlich seines Videofilms "Berlin off/on wall" angelegt wurde.

"Wir mussten versteckte Kameras benutzen, eine Super-8, denn es war eigentlich verboten in Ost-Berlin zu drehen. Wir haben vorher im Westen die Abläufe geübt." - über die Dreharbeiten zu "Westler".

"Es gibt viele Filme im Osten und Westen, die in den Wendejahren untergingen und es verdient haben wiederentdeckt zu werden." - über Deutsche Filme aus den Jahren 1988 bis 90.

"Professionalität hat furchtbar viel Kreativität kaputt gemacht." - über seine Lehren aus dem kreativitätsfördernden Filmstudium bei George Kuchar in San Francisco.

"Er hat damals ganz viele Kinos davor gerettet, Supermärkte zu werden - auch das Arsenal." - über Manfred Salzgebers Anfänge in der Berliner Kinolandschaft.

"Es wäre wie ein Leben ohne Jahreszeiten, wenn wir die Unterschiede der Generationen nicht hätten." - über den Austausch zwischen den Altersgruppen und die Weitergabe von Geschichte.

Wieland Specks bewegte und unbewegte Bilder
3. - 22. August 2011
Arsenal Institut für Film und Videokunst

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Redaktion & Sprecher: Vaginal Davis, Manuel Schubert
Musikauswahl: Manuel Schubert
(aus den Soundtracks zu "Shortbus", "Chumlum" und "Hedwig and the angry Inch")
Produktion: Manuel Schubert
Erstsendung am 01. August 2011 auf 88.4 multicult.fm Berlin