Freiwild

FAIR GAME



Es ist keine neue Erkenntnis, dass sich viele Amerikaner und ganz vorne das mehrheitlich links-liberale Hollywood nicht damit abfinden können, dass ihr Land wegen einer dreisten Lüge des damaligen US-Präsidenten Bush Jr. in einen blutigen Krieg gezogen ist. Dies erklärt auch, warum selbst knapp 8 Jahre nach Beginn des Irakkriegs immer noch Filme ins Kino kommen, die tief verstrickt sind in die Aufarbeitung der Geschehnisse jener Zeit.

FAIR GAME ist so ein Film, der sich in den Dienst der Aufarbeitung stellt, gedreht von US-Regisseurs Dough Liman. Er erzählt, basierend auf zwei Biografien, die Geschichte der ehemaligen CIA-Agentin Valerie Plame und ihres Ehemanns Joseph Wilson. Valerie Plame wurde 2003 durch das Weiße Haus enttarnt, nachdem ihr Ehemann, ein hochrangiger US-Diplomat in der New York Times die Lügen der US-Regierung im Zusammenhang mit Iraks vermeintlichen Massenvernichtungswaffen bloßgestellt hatte. Naomi Watts und Sean Penn verkörpern das Ehepaar Plame/Wilson und sie tragen den Film.


Mit der Enttarnung Valeries bricht im Film eine Medienkampagne sondergleichen los, vor allem die kriegstreuen konservativen Zeitungshäuser und Fernsehnetzwerke versuchen das, Ehepaar zu diskreditieren. Selbst ihre Ehe gerät unter Druck und irgendwann scheinen die Konfliktlinien mitten durch das Wohnzimmer der Familie zu verlaufen. Neben dem medialen Bombardement besteht für Valerie aber ein viel größeres Problem: Sie ist eine der besten Agentinnen der CIA und führt dementsprechend viele und empfindliche Operationen, die bis nach Bagdad reichen.

Der Regisseur & Kameramann Doug Liman und seine beiden Drehbuchautoren beginnen mit ihrer Story jedoch einige Zeit früher. Wir lernen, die Einstiegssequenz ausgenommen, zuerst ein ganz normales Akademiker-Ehepaar kennen. Erst allmählich entfaltet sich die Tragweite von Valeries Arbeit, wovon wir zu Beginn schon eine Ahnung bekommen haben. Das bringt einige interessante Sequenzen mit sich, in denen die Filmemacher Abendessen des Ehepaars im Freundeskreis inszenieren. Selbstverständlich wird auch politisiert, über die US-Politik gestritten, was vor allem Joseph in Rage bringt.


Als Zuschauer ist man in diesen Szenen schon klüger als die Figuren auf der Leinwand, man weiß bereits um Valeries eigentlichen Job und man fragt sich, was ihr in diesem Moment, bei diesen Abendessen durch den Kopf gehen könnte. Beruf und Privatleben sind zwei verschiedene Dinge, aber so ganz zu trennen sind sie nie. Es ist davon auszugehen, dass auch die echte Valerie Plame solche Situationen erlebt hat. Was hat sie gedacht, was hat ihr Ehemann gedacht? Interessante Fragen werden hier aufgeworfen. Augenscheinlich findet der Film seine Antworten darin, dass er eine sehr engagierte und aufrechte Haltung der beiden zeichnet.

Überhaupt scheint der Film bemüht, Valerie Plame und Joseph Wilson ein Denkmal zu setzen. Dass die Biografien von Plame und Wilson die Drehbuchgrundlage bilden, spricht dabei für sich. Angesichts der Courage, die das Ehepaar wohl gehabt hat, ist das ein ehrbares Unterfangen der Filmemacher. Man kann ihnen diese Nähe vorwerfen. Aber das würde zu kurz greifen. FAIR GAME macht klar, dass vor allem Valerie nicht von jetzt auf gleich mit ihrem Leben als Agentin brechen kann. Sie hadert erheblich und ist versucht unterzutauchen, was die Ehe der beiden in akute Schieflage bringt.


FAIR GAME, das ist ein engagierter politischer Thriller, der sein Anliegen sehr zielgerichtet und präzise ausstellt. Für den amerikanischen Film ist dieses Genre traditionell eine Art Paradedisziplin, daher darf kann man dem Film mit einer gewissen Erwartungshaltung begegnen. Spannend und vor allem im gerechtfertigten vollen Vertrauen auf seine beiden Hauptdarsteller, entspinnt sich ein hochkonzentrierter Film, der seine Geschichte ohne Kurzriffe auf gefällige Action oder dramatische Schnitzer erzählt. Unterstrichen wird der positive Gesamteindruck dabei vom sehr perkussiven Score des Soundtrack-Komponisten John Powell, der die (in Hollywood) scheinbar schon obligatorischen Streicher-Orgien weitest gehend zu vermeiden weiß.

Es ist nicht erst, aber auch das Verdienst dieses Films, dass er im Subtext auch die Forderung nach einer generellen Aufarbeitung und Wiedergutmachung stellt. Wiedergutmachung für die schamlosen Verbrechen der US-Administration Bush Jr. Dieses Kapitel ist, erst recht für Hollywood, noch lange nicht abgeschlossen. Im Hinblick auf ein drohendes Desaster in Afghanistan sollte uns Europäer vielleicht sehr genau interessieren, was dieser Film, was FAIR GAME eigentlich verhandelt.


FAIR GAME
USA/VAE 2010
108 Minuten
Regie & Kamera: Doug Liman
Buch: Jez Butterworth, John-Henry Butterworth
Buchvorlagen: Joseph Wilson ("The Politics of Truth"), Valerie Plame ("Fair Game")
Musik: John Powell
Schnitt: Christopher Tellefsen
Darsteller: Sean Penn, Naomi Watts, Sam Shepard, Noah Emmerich, Michael Kelly, Bruce McGill, Ty Burrell

(c) Bildmaterial: Tobis Filmverleih 2010