Die DNA der Arbeit

 WORK HARD PLAY HARD
DIE AUSBILDUNG
Aktuelle Kinobilder zur modernen Arbeitswelt

Nicht erst durch die sog. "Agenda 2010" wissen wir, dass die Zustände unter denen Menschen ihr Geld erarbeiten einem massiven Wandel unterliegen. Der Wandel der Arbeitswelten ist an sich ein alter, aber stetiger Prozess. Sozialer und technologischer Fortschritt haben zumindest in den westlichen Industrienationen das Arbeiten erheblich erleichtert. Doch diese Transformationen brauchten und brauchen bekanntlich einen Antrieb. Vereinfacht gesagt sind es vor allem zwei Kräfte, die hier mitunter sehr stark entgegengesetzt wirken: das Profitstreben der Unternehmer und das Streben der Arbeitnehmer nach Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Reduzierung von Belastungen durch Arbeit. Darin gleichen sich beide Seiten wiederum, beide wollen leichter und besser an ihr Geld kommen. In diesem Zusammenhang ist dann die Ausbalancierung der Interessen geboten, die vorwiegend durch Tarifverträge, Arbeitsschutzgesetze und soziale Absicherung vorgenommen wird.

"Modern und dynamisch" - WORK HARD PLAY HARD

In Zeiten eines zunehmend ungezügelten Kapitalismus ist diese Balance nicht (mehr) gegeben. Die Menschen, die sog. Arbeitnehmer sehen sich immer stärker einem rauen Profitdruck ausgesetzt, der auf ihre Interessen kaum oder nur vordergründig Rücksicht nimmt. Sich im Kern aber nur darauf konzentriert, was profitabel ist und was nicht. Der Debütfilm DIE AUSBILDUNG und der dokumentarische Film WORK HARD PLAY HARD schauen sich in dieser Welt der Arbeit unter maximiertem Profitdruck um. In Dirk Lütters Film DIE AUSBILDUNG folgen wir dem Auszubildenden Jan. Er lernt in einem Call-Center, hat noch ein halbes Jahr bis zum Abschluss. Er arbeitet gut, doch die Zahlen seiner Abteilung sind es nicht. Der Geschäftsführer hat Jans mittelalte Abteilungsleiterin deshalb im Visier und versucht den jungen Azubi dazu anzustiften herauszufinden, was mit ihr los ist.


Joseph Bundschuh, Stefan Rudolf, Anke Retzlaff in DIE AUSBILDUNG

Carmen Losmanns Dokumentation WORK HARD PLAY HARD untersucht die neueren Entwicklungen und Visionen für ein Arbeiten in der Zukunft. Formal reduziert, ohne Kommentar, ohne große Erklärungen entwickelt sie ihren Film. Die Bilder offenbaren mehr als genug Aussagekraft. Dabei gelingen Carmen Losmann Einblicke in eine neue und höchst befremdliche Ideologie, die den Menschen zwar als wichtigstes Gut postuliert, im Kern aber nur daran interessiert scheint, das absolute Maximum an Leistung aus ihm herauszupressen. Carmen Losmann beleuchtet verschiedene Orte und Aspekte. Sie begleitet die Konzeption einer neuen Firmenzentrale für einen Großkonzern, die vor allem modern und dynamisch sein soll. Und mit der das Ziel von noch mehr Wachstum erreicht werden soll. Naturerlebniswelten sollen Spaß am Arbeiten entwickeln. Überhaupt, so lernen wir es in diesem Werk, wird scheinbar versucht den klassischen Büro-Arbeitsplatz in eine Wohlfühlzone zu transformieren, die höchste Kreativität und Arbeitswille freisetzt.

Mittelmaß ist tödlich, der Eindruck drängt sich ebenfalls unwillkürlich auf. Und gegen das Mittelmaß gibt es Strategien, gibt es Kennziffern und Zielmarken, die jeden Morgen beim Team-Meeting abgeglichen werden. Das Team, die Kernzelle des ökonomischen Erfolgs und der Begriff "Teamfähigkeit" als abgelutschte Vokabel. Was heißt das eigentlich, teamfähig? Nein, diese beiden Filme geben darauf keine Antwort. Sie versuchen es auch gar nicht erst. Im Gegenteil, WORK HARD PLAY HARD liefert beste Beispiele dafür, dass dieser Begriff und das unbestimmte Etwas dahinter schleunigst aus dem Handbuch für den marktgerechten Arbeitnehmer gestrichen werden sollten. Wie so einiges Andere auch.

Joseph Bundschuh in DIE AUSBILDUNG

Der Nutzwert von Menschen ist die Goldwährung in diesen Zeiten. Sinkt dieser Wert, so wie es der Figur der Abteilungsleiterin Susanne in DIE AUSBILDUNG ergeht, dann wird er entfernt. Die dazu nötigen Mittel finden sich. Und in Dirk Lütters kaltem, stillem Thriller ist es der junge Azubi Jan, der sich unbemerkt vor den Karren spannen lässt. Verbrämt wird das in einem menschelnden Neusprech, des "helfen Wollens", man kann Feedback mitnehmen und bekommt seine Entwicklungsfelder aufgezeigt. Sprache als Tarnkappe. Fiktion und Dokumentation korrespondieren in diesem Punkt am stärksten miteinander. Aber wo Dirk Lütters Film DIE AUSBILDUNG dann die Notwendigkeit sieht, der Hauptfigur eine kleine Romanze anzudichten und damit sein größtes Manko offenbart. Da bleibt WORK HARD PLAY HARD streng fokussiert und zeichnet geradezu absurdes Palaver auf. Da ist von "Change-Agenten", "Change-Agendas" und "Change-Prozessen" die Rede. Der "Change" muss "implementiert werden" bis in "die DNA der Mitarbeiter".

"Hotelling" statt angestammtem Büro - WORK HARD PLAY HARD

Der Arbeitnehmer wird in die Zange genommen. Das Ziel ist klar: Mehr Leistung für mehr Profit. Beide Filme werfen eine Reihe von Frage auf. Eine davon: Wo ist hier das Stopp-Schild, wo und wann ist Schluss? Die Beantwortung dieser Frage übertragen beide Filme an den Zuschauer. Damit haben sie vollkommen recht, es liegt an uns, diese Antwort zu bestimmen. Wie wollen wir zukünftig arbeiten, damit die Menschlichkeit gewahrt bleibt?

DIE AUSBILDUNG
Deutschland 2010
89 Minuten
Regie & Buch: Dirk Lütter
Kamera: Henner Besuch
Musik: Falko Brocksieper, Lars Niekisch
Schnitt: Antonia Fenn
Darsteller: Joseph Bundschuh, Anke Retzlaff, Anja Beatrice Kaul, Stefan Rudolf
Verleih: Basis Film
(c) Bilder: Basis Film

WORK HARD PLAY HARD
Deutschland, 2011
Dokumentarfilm
94 Minuten
Regie & Buch: Carmen Losmann
Kamera: Dirk Lütter, Gerardo José Milsztein
Schnitt: Henk Drees
Verleih: Film Kino Text
(c) Bilder: Film Kino Text