Berlinale 2014 - Bulletin (2) - DAS GROßE MUSEUM - BUTTER ON THE LATCH - PAPILIO BUDDHA
Das Große Museum | (c) Navigatorfilm 2014/Berlinale |
Wie renoviert man ein Museum, das so alt ist wie die Exponate die es beherbergt? Renovieren nicht nur baulichen Sinn, sondern auch habituell und strukturell? DAS GROßE MUSEUM von Johannes Holzhausen beobachtet die Renovierung des legendären Kunsthistorischen Museums der Stadt Wien - die Schatzkammer der Habsburger Dynastie. Während Bauarbeiter mit Spitzhacke und Betonmischer den Kubus einer Revision unterziehen, werkeln Mitarbeiter in den Magazinen mit Pinzette und Pinsel sichtbar liebevoll an der Restaurierung Jahrhunderte alter Truvalien. Ihnen zum Kontrast bemüht sich die Verwaltung des Hauses, das Personal auf eine neue Linie zu trimmen, hin zu Angehörigen eines Kunsttempels, der im weltweiten Wettkampf um Besucher, Geldmittel und Rennomeé mitspielt. Die alterhwürdige Schatzkammer wird auf ihren Marktwert hin evaluiert und in Richtung einer touristischen Vermarktbarkeit umgestylt. Holzhausen nimmt hierbei den Blick eines neutralen Beobachters ein, der in diesem widersprüchlichen Konflikt, zwischen zeitlosen Kunstschätzen und zeitgeistiger Marktfixierung, keine Partei ergreift. Jedoch akkribisch registriert, wie sich diese Neugestaltung des Kunsthistorischen Museums Wien zu einer schmerzhaften Häutung entwickelt. Nicht nur die weniger attraktiven Exponate verschwinden im Depot. Auch eine alte Mitarbeitergeneration, die ihren Beruf noch als Dienst an der Kunst verstand, werden mit honorigen Worten der Politik aus dem Haus und in den Ruhestand geschickt. Schlussendlich wirkt das wiederauferstehende Museum zwar glanz- und prachtvoll. Doch man wird ein Gefühl nicht los, dass diesem Haus auch die Seele ausgetrieben wurde, der es seine Aura des Legendären verdankt. (DAS GROßE MUSEUM | Forum)
Zwei junge Frauen treffen auf einem Musikfestival für Weltmusik irgendwo in einem Wald in den USA zusammen. Sie sind Freundinnen, haben sich allerdings länger nicht gesprochen. Der Faden ist schnell wieder aufgenommen, da beide sich jüngst von Beziehungen trennten. Doch eine der beiden Frauen schleppt auch die Folgen eines Nervenzusammenbruchs oder einer mutmaßlichen Vergewaltigung mit sich herum, offenbar unfähig darüber zu sprechen. Was wirklich geschehen ist, kann man sich als Zuschauer kaum zusammenreimen. Eingelullt in das idyllische Setting des Waldes, zieht die Story von BUTTER ON THE LATCH lange unentschieden Kreise, scheint kein Interesse an einer stringenten Entwicklung zu haben und kommt auf halber Strecken vollends zu einem fragwürdigen Stillstand. Die Kamera fängt Naturportraits ein, während die Hauptdarstellerinnen durchs Grün meandern. Plötzlich darf sich ein Musiker den Frauen annähern, die Dinge geraten wieder in Bewegung und die Frauen in Konkurrenz zu einander. Die Traumatisierung einer der beiden bricht sich unvermittelt in einer tödliche Psychose Bahn. Autorin & Regisseurin Josephine Decker scheitert letztendlich kläglich daran, den Widerspruch von Idylle & Psychose und die Traumatisierung einer der weiblichen Charaktere in eine überzeugende Form zu bringen. Was bleibt, sind schmückende Naturaufnahmen. (BUTTER ON THE LATCH | Forum)
Zwei Männer fangen Schmetterlinge im indischen Nirgendwo. Sie sind Forscher auf der Suche nach dem Papilio Buddha, einer seltenen Schmetterlingsart. Hin und wieder halten sie Händchen miteinander. Während Jack als US-Amerikaner Indien nach Abschluss der Arbeit problemlos verlassen kann, ist Shankaran als Angehöriger der untersten indischen Kaste, der Dialit dazu verurteil, zu bleiben wo er ist. Was Jack nicht versteht, sein Bekannter und dessen Volksgruppe befinden sich mitten in einem erbitterten Kampf um ihre Rechte. Nicht nur werden sie durch höhere Kasten drangsaliert, auch die Polizei demütigt und verfolgt sie. Sie beanspruchen die Region für sich und halten das Land mit friedlichem Protest besetzt. Jack & Shankaran geraten in Haft, die Polizei weißt den Amerikaner als angeblichen Unterstützer von Terroristen aus, für Shankaran beginnt ein Alptraum in den Händen der Polizei. PAPILIO BUDDHA entwirft das brutale Gemälde eines scheinbar hoffnungslosen Kampfs um Anerkennung und fundamentale Menschenrechte. Mit entsättigten, aschfahlen Bildern erzählt Regisseur Jayan Cherian von einem fatalen Strudel der Gewalt. Der Protest der Dialit, wächst sich zu einem blutigen Martyrium aus Folter, Massenvergewaltigung und nicht enden wollender Polizeibrutalität aus. Jayan Cherian tilgt penibel jeglichen Funken Hoffnung aus seinem Film, wenn selbst eine hilfsbereite NGO im Kern die selben niederen Vorurteile gegenüber der Dialit-Kaste in sich trägt, wie die indische Mehrheitsgesellschaft. Die Zukunft der Dilalit ist in diesem Film ein Abgrund aus Missachtung. Und PAPILIO BUDDHA gerinnt zu einem wütenden Traktat mit klar verteilten Rollen, dass jeglichen Ansatz zum Dialog von vornherein zum Scheitern verurteilt. (PAPILIO BUDDHA | Panorama)