Berlinale 2018: Bulletin (3): FAMILIENLEBEN
Irgendwo im sachsen-anhaltinischen Nirgendwo steht die Kamera der Filmemacherin Rosa Hannah Ziegler im Inneren eines verfallenden Vierseithofs und lässt uns Zeuge eines lautstarken, beinahe handgreiflichen Streits zwischen zwei Frauen und einem Mann werden – die Einstiegsequenz von FAMILIENLEBEN. Insgesamt Vier Menschen, ein Rudel Hunde und vier Pferde leben auf diesem Hof. Um sie herum das weite Flachland der Altmark und seine im Dunkeln blinkenden Windräder.
Die Hunde sind omnipräsent in dieser dokumentarischen Arbeit, ebenso wie der problematische Alltag der Menschen. Biggi und Alfred waren einmal ein Paar, jetzt teilen sie sich als mehr oder weniger unfreiwillige Lebensgemeinschaft den Hof, zusammen mit Biggis pubertierenden Töchtern. Das Leben dieser Vier ist sichtlich von erheblicher Armut geprägt, für die Realisierung von Träumen und Zukunftsideen fehlt das Geld. Mehr und mehr lernen wir aus den Erzählungen und Gesprächen, dass verschlungenen, mitunter traumatischen Lebenswege der Erwachsenen für das prekäre Existieren des Quartetts verantwortlich sind.
Warum über diese Leute einen Film?
Biografien, welche nun bei Biggis Töchtern, die sich selbst als „Hartz-Kids“ bezeichnen, ihre Fortsetzung zu finden scheinen. Die Mädchen kämpfen mit ihren ganz eigenen Dämonen – problematische Freunde, Drogengebrauch, psychische Probleme, abgebrochene Schulausbildungen, Heimaufenthalte. Die Erwachsenen können ihnen kaum helfen, so sehr sich Biggi als Mutter offenkundig bemüht, ihre Töchter vor dem Unheil der Welt zu beschützen und ihnen ein stabiles Zuhause zu geben. Nicht allein das toxische Verhältnis zwischen ihr und Alfred lässt die Sache beinahe aussichtslos erscheinen.
Je weiter Rosa Hannah Zieglers Dokumentation voran schreitet, desto beschissener scheint die Lage sich zu entwickeln. Und desto stärker fragt man sich: Warum über diese Leute einen Film? In dieser Frage liegt das Kernproblem von FAMILIENLEBEN. Warum sollen wir als Zuschauer in die Privatsphäre dieser Menschen eindringen? Warum landet die Kamera mitten im Wohnzimmer ausgerechnet dieser Menschen? Warum hat es sie getroffen? Menschen, denen das Leben und der deutsche (Sozial-)staat doch eigentlich schon übel genug mitspielen, sehen sich einer beinahe schamlos neugieren Kamera gegenüber.
In satten 96 Minuten Lauflänge will sich nicht erklären, worin die innere Notwendigkeit besteht, vier Menschen, die am Rand der Ränder dieser Gesellschaft vegetieren müssen, derart ins Rampenlicht zu zerren? Der Grad zwischen engagiertem Erzählen von den eklatanten gesellschaftlichen Mißständen im Exportweltmeisterland Deutschland und einem Elendsporno ohne Sinn, jener Grad ist schmal. Rosa Hannah Ziegler gelingt diese Gratwanderung nicht.
FAMILIENLEBEN | DE 2018 | 96' | Rosa Hannah Ziegler | Panorama Dokumente
(c) Bild: Matteo Cocco |
Die Hunde sind omnipräsent in dieser dokumentarischen Arbeit, ebenso wie der problematische Alltag der Menschen. Biggi und Alfred waren einmal ein Paar, jetzt teilen sie sich als mehr oder weniger unfreiwillige Lebensgemeinschaft den Hof, zusammen mit Biggis pubertierenden Töchtern. Das Leben dieser Vier ist sichtlich von erheblicher Armut geprägt, für die Realisierung von Träumen und Zukunftsideen fehlt das Geld. Mehr und mehr lernen wir aus den Erzählungen und Gesprächen, dass verschlungenen, mitunter traumatischen Lebenswege der Erwachsenen für das prekäre Existieren des Quartetts verantwortlich sind.
Warum über diese Leute einen Film?
Biografien, welche nun bei Biggis Töchtern, die sich selbst als „Hartz-Kids“ bezeichnen, ihre Fortsetzung zu finden scheinen. Die Mädchen kämpfen mit ihren ganz eigenen Dämonen – problematische Freunde, Drogengebrauch, psychische Probleme, abgebrochene Schulausbildungen, Heimaufenthalte. Die Erwachsenen können ihnen kaum helfen, so sehr sich Biggi als Mutter offenkundig bemüht, ihre Töchter vor dem Unheil der Welt zu beschützen und ihnen ein stabiles Zuhause zu geben. Nicht allein das toxische Verhältnis zwischen ihr und Alfred lässt die Sache beinahe aussichtslos erscheinen.
Je weiter Rosa Hannah Zieglers Dokumentation voran schreitet, desto beschissener scheint die Lage sich zu entwickeln. Und desto stärker fragt man sich: Warum über diese Leute einen Film? In dieser Frage liegt das Kernproblem von FAMILIENLEBEN. Warum sollen wir als Zuschauer in die Privatsphäre dieser Menschen eindringen? Warum landet die Kamera mitten im Wohnzimmer ausgerechnet dieser Menschen? Warum hat es sie getroffen? Menschen, denen das Leben und der deutsche (Sozial-)staat doch eigentlich schon übel genug mitspielen, sehen sich einer beinahe schamlos neugieren Kamera gegenüber.
In satten 96 Minuten Lauflänge will sich nicht erklären, worin die innere Notwendigkeit besteht, vier Menschen, die am Rand der Ränder dieser Gesellschaft vegetieren müssen, derart ins Rampenlicht zu zerren? Der Grad zwischen engagiertem Erzählen von den eklatanten gesellschaftlichen Mißständen im Exportweltmeisterland Deutschland und einem Elendsporno ohne Sinn, jener Grad ist schmal. Rosa Hannah Ziegler gelingt diese Gratwanderung nicht.
FAMILIENLEBEN | DE 2018 | 96' | Rosa Hannah Ziegler | Panorama Dokumente