Schwedische Sichtweisen
THE BLACK POWER MIXTAPE 1967 - 1975
Berlinale 2011 - Panorama Dokumente
Berlinale 2011 - Panorama Dokumente
Eine dunkelhäutige Frau in rotem Rollkragen-Pullover und mit großem, buschigen Lockenkopf sitzt in einer grau-blauen Gefängniszelle. Um den Hals trägt sie, wie ein Amulett, ein Mikrofon. Ihr gegenüber sitzt ein Reporter, man sieht nur ein Stück seines Oberarms. Er stellt ihr die Frage, ob die Anwendung von Gewalt legitim ist, ob sie Gewaltanwendung gutheißen würde. Sie antwortet, lang und erregt, erzählt eine Geschichte aus ihrer Kindheit, als weiße Rassisten Bomben in den Wohnvierteln von Schwarzen deponierten. Sie berichtet von einem Bürgermeister, der indirekt dazu aufrief, schwarze Bewohner zu ermorden: „There’ll be some bloodshed in the neigbourhood.“
Die Frau, die dort spricht, ist die schwarze Professorin und Bürgerrechtlerin Angela Davis. Die Frage, auf die sie Antwort gibt, wurde ihr von einem schwedischen TV-Korrespondenten gestellt. Er und sein Kamerateam hatten Davis 1971 in der Untersuchungshaft besucht, in der sie zwei Jahre lang saß, weil man ihr die Beteiligung an einer Schießerei eines Black-Panter-Mitglieds in einem Gerichtssaal anlasten wollte. 1972 wurde Angela Davis von diesem Vorwurf in allen Punkten freigesprochen, die Anklage hatte sich als Farce herausgestellt.
Das schwedische Fernsehen berichtete von Mitte der 60er bis Mitte der 70er intensiv über die Verhältnisse, in denen Schwarze in den USA lebten und wie sie versuchten, ihre Situation zu verändern. Angela Davis war nur eine von vielen markanten Persönlichkeiten, die sich für das Black Power Movement starkmachten.
THE BLACK POWER MIXTAPE, das Doku-Essay des schwedischen Regisseurs Göran Hugo Olsson gräbt das damals aufgenommene Material aus und montiert es in gewisser Weise zu einer Zeitreise in eine Ära des politischen Protests, des Aufbruchs und auch der Repression. THE BLACK POWER MIXTAPE ist ein unaufgeregtes, sehr aufmerksames Werk. Gören Hugo Olsson gibt diesen Bändern viel Raum und hält seinen narrativen Überbau auf einem respektvollen Abstand. Er verlässt sich auf die Faszination dieser Aufnahmen, zu Recht.
Namen und Ereignisse prägen diesen Film: Stoakley Carmichael, Angela Davis, die Black-Panther-Gründer Bobby Seal und Huey P. Newton, die blutige Niederschlagung des Aufstands im Attica-Gefängnis, schwarze Soldaten im Vietnamkrieg, der langsame Drogen-Tod von Harlem ab Anfang der 70er. Im Fokus des BLACK POWER MIXTAPES stehen jedoch nicht nur die Protagonisten der Aufnahmen. Es sind die Aufnahmen selbst, die viel über die Zeit erzählen und jene Menschen erzählen, von denen häufig nur ein Rücken oder einen Oberarm zu sehen ist.
Man muss sich vor Augen führen, dass die Arbeit der schwedischen Journalisten und ihre kritische Haltung gegenüber dem amerikanischen Staat und seinem Krieg in Vietnam erhebliche politische Verwerfungen zur Folge hatten. Diese Bilder bargen, so erkennt man schnell, eine erhebliche Brisanz in sich, weil sie der damaligen weißen Mehrheitsgesellschaft in den USA schonungslos den Spiegel vorhielten. Was die USA mitunter mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen quittierten.
Regisseur Göran Hugo Olsson belässt es jedoch nicht bei dem Rundgang durch die Geschichte. Er baut Brücken ins Heute: Schwarze Künstler und Intellektuelle, die diese Zeit nur noch aus Erzählungen kennen, kommentieren die Bilder, ihre Geschichten und ihre Entwicklungen punktuell und aus ihrer subjektiven, heutigen Sicht. Damit schreiben sie das Vermächtnis des BLACK POWER MOVEMENTS im Heute fort.
THE BLACK POWER MIXTAPE 1967-1975
Schweden, USA 2011
94 Minuten
HDCAM, Farbe, S/W
Englisch, Schwedisch
Regie, Buch: Göran Hugo Olsson
Protagonisten: Stokely Carmichael, Angela Davis, Erykah Badu, Harry Belafonte
Schnitt: Hanna Lejonqvist, Göran Hugo Olsson
Mischung: Anders Nyström
Musik: Ahmir Thompson, Om’Mas Keith and the Roots
Produktion: Annika Rogell, Tobias Janson, Louverture Films, Sveriges Television
Screenings im Festival:
Sa 12.02. 20:00 CineStar 7 (E)
So 13.02. 12:00 CineStar 7 (E)
Fr 18.02. 17:30 Cubix 7 (E)
(c) Bildmaterial: Berlinale 2011